Sichere Pflege von innen heraus: Mit partizipativen Prozessen zum eigenen Gewaltschutzkonzept
von Tobias Münzenhofer
Fortbildung zum Artikelthema
Zur Fortbildung„Wie würde unser Pflegealltag aussehen, wenn jeder im Team sein eigenes Gewaltverständnis reflektiert und zugleich gemeinsam nach Lösungen sucht?“
Gewalt in Pflegebeziehungen ist ein Thema, das viele erst einmal abwehren möchten: „Bei uns doch nicht!“ – so lautet häufig die erste Reaktion. Doch der Begriff „Gewalt“ umfasst viel mehr als körperliche Übergriffe; auch verbale Entgleisungen, Mobbing, Vernachlässigung oder freiheitsentziehende Maßnahmen können Formen von Gewalt sein. Hinzu kommen enge Zeitpläne, hohe körperliche und emotionale Belastungen sowie strukturelle Herausforderungen wie Personalmangel oder ungeeignete Räumlichkeiten. Diese Faktoren können die Gefahr für Spannungen, Konflikte und damit potenziell gewaltbegünstigende Situationen erhöhen.
Das alles zeigt, dass es wichtig ist, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dabei hilft ein systematisches Gewaltschutzkonzept. Es macht Ihre Einrichtung zu einem sicheren Ort: für Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für die Beschäftigten. Im Folgenden erfahren Sie erste Impulse, was man unter einen Gewaltschutzkonzept verstehen kann, welche Bausteine es haben kann, warum es sich lohnt, es umzusetzen, und wie Sie am besten vorgehen könnten.
1. Warum ein Gewaltschutzkonzept?
1.1 Mehr als nur ein Dokument
Auf den ersten Blick könnte man annehmen, ein Gewaltschutzkonzept sei lediglich eine Sammlung von Richtlinien, die man irgendwo abheftet. Tatsächlich aber geht es um mehr: Um eine Haltung, eine Kultur des Vertrauens und der Achtsamkeit.
Wer sich dem Thema offen stellt, erkennt schnell, dass Gewaltprävention weit über das reine Verhindern von Vorfällen hinausgeht. Es geht um Qualität, um sicheren Freiraum und um Würde. Dabei bringt das Konzept allen Beteiligten Nutzen:
- Bewohnerinnen und Bewohner erhalten mehr Mitsprache, Selbstbestimmung und das gute Gefühl, dass ihre Rechte geachtet werden.
- Mitarbeitende arbeiten in einer Kultur, in der schwierige Situationen offen thematisiert und bearbeitet werden. Langfristig führt das zu weniger Konflikten, weniger Überforderung und einer größeren Zufriedenheit im Team.
- Angehörige und Betreuende profitieren von mehr Transparenz und von klaren Ansprechstellen für Sorgen und Beschwerden.
1.2 Gesetzliche und ethische Verpflichtungen
Viele Einrichtungen kennen bereits die rechtlichen Grundlagen: das Arbeitsschutzgesetz, das SGB XI, landesrechtliche Vorgaben und die Garantenpflicht (§ 13 StGB) – alle verpflichten dazu, die Würde und Sicherheit älterer bzw. pflegebedürftiger Menschen zu schützen. Ebenso gehört es zu den ethischen Grundsätzen der Pflege, Gewalt zu verhindern. Ein Gewaltschutzkonzept bietet den Rahmen, diese Verpflichtungen mit Leben zu füllen – und sie nicht nur auf dem Papier zu belassen.
1.2.1 Aktuelle Verpflichtungen in Bayern
Mit der Novellierung des bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) zum 24. Juli 2023 wurden die ohnehin bestehenden Anforderungen an den Schutz pflegebedürftiger Menschen noch einmal präzisiert. So müssen Einrichtungen in Bayern:
- Ein Gewaltschutzkonzept vorhalten: Nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 und 11 PfleWoqG ist ein Konzept zu entwickeln, das gezielt gegen Gewalt und Übergriffe in der Pflege vorgeht.
- Eine fachliche Konzeption mit Fokus auf Gewaltprävention erstellen: Aus Art. 4 Abs. 1 Nr. 8 PfleWoqG ergibt sich, dass die Konzeption die Umsetzung einer gewaltfreien Betreuung und Pflege konkret beschreiben muss.
- Verbindliche Handlungsabläufe etablieren: Dabei geht es um Meldewege, Interventions- und Dokumentationspflichten, die im Ernstfall eine schnelle und transparente Klärung gewährleisten.
- Regelmäßige Schulungen gewährleisten: Alle Mitarbeitenden sind zu sensibilisieren und im Umgang mit herausforderndem Verhalten sowie Deeskalationstechniken zu schulen.
- Die Garantenstellung nach § 13 StGB beachten: Jede Pflegekraft trägt als Garant die Verpflichtung, Schaden vom Rechtsgut „Leib und Leben“ abzuwenden. Bereits ein Unterlassen kann hier strafrechtlich, wie ein aktives Fehlverhalten bewertet werden.
Diese Bestimmungen machen deutlich, dass ein Gewaltschutzkonzept in bayerischen Pflegeeinrichtungen nicht nur aus ethischer Sicht geboten, sondern gesetzlich verpflichtend ist. Einrichtungen werden stärker in die Pflicht genommen, ihre Strukturen und Abläufe so zu gestalten, dass Gewalt erst gar nicht entsteht. Prävention und Aufklärung rücken dabei ebenso in den Vordergrund wie ein etabliertes Interventionssystem für den Fall eskalierender Situationen.
1.3 Ein starkes Zeichen gegen Tabuisierung
Wer offen für ein Gewaltschutzkonzept eintritt, setzt ein deutliches Statement: „Wir schauen hin!“ Das ist wichtig, denn nichts lässt Gewalt besser gedeihen als Schweigen und Wegschauen. Einrichtungsvertreterinnen und -vertreter, die ein Gewaltschutzkonzept initiieren, übernehmen Verantwortung – und senden damit auch eine klare Botschaft an alle Mitarbeitenden und Bewohner/innen, dass die Themen Grenzverletzung oder Aggression ernst genommen werden.
2. Was gehört zu einem Gewaltschutzkonzept?
Ein Gewaltschutzkonzept besteht aus verschiedenen Elementen, die ineinandergreifen und sich wechselseitig stärken:
2.1 Gefährdungsanalyse und Sensibilisierung
Am Anfang steht eine Gefährdungsanalyse: Welche Situationen oder Strukturen in Ihrer Einrichtung könnten Konflikte begünstigen? Wo herrscht Personalknappheit, wo gibt es räumliche Engstellen, die Unruhe auslösen, wo fehlt es an Rückzugsmöglichkeiten? Auch die Frage, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Gewalt denken und reden, ist wichtig. Häufig hilft es, im Team zu klären:
- Was verstehen wir unter Gewalt?
- Welche Situationen lassen uns unsicher oder ohnmächtig zurück?
- Wie äußert sich verbale, psychische und strukturelle Gewalt im Alltag.
Allein der offene Austausch darüber bewirkt schon eine Sensibilisierung. Die Belegschaft lernt, wahrzunehmen, wo Grenzverletzungen beginnen, und wie schnell aus Fürsorge unbeabsichtigt „fürsorgliche Gewalt“ werden kann, wenn jemand z. B. aus Zeitmangel auf Widerstand nicht mehr eingeht.
2.2 Prävention – Strukturen der Mitbestimmung und Beschwerdewege
- Mitbestimmung: Bewohnerinnen und Bewohner haben das Recht auf Partizipation. Dazu gehören Bewohnerbeiräte, regelmäßige Gesprächsrunden, die Möglichkeit, sich aktiv an der Tagesstruktur oder Freizeitangeboten zu beteiligen. Auch Mitarbeitende benötigen ein Mitspracherecht, um eigene Erfahrungen und Vorschläge zum Umgang mit schwierigen Situationen einzubringen.
- Beschwerdemanagement: Ein funktionierendes Beschwerdesystem ist essenziell. Es schafft Vertrauen und ist ein Frühwarnsystem: Beschwerden können Probleme aufzeigen, bevor sie sich zuspitzen. Wichtig ist, dass alle über die Beschwerdewege Bescheid wissen – also auch Angehörige, Ehrenamtliche und natürlich die Bewohner/innen selbst.
2.3 Klare Regeln, Zuständigkeiten und Notfallpläne
Für den Ernstfall, also wenn eine Situation bereits eskaliert, braucht es klare Handlungsanweisungen. Diese sind in einem Interventionsplan festgehalten. Darin geht es beispielsweise um:
- Meldeketten: Wen informiere ich zuerst, wenn ein Vorfall geschieht?
- Notrufsysteme: Wie hole ich schnell Unterstützung, wenn eine Bewohnerin oder ein Bewohner aggressiv wird?
- Dokumentation: Wie erfasse ich Verletzungen oder Übergriffe, damit Ursachen geklärt und Betroffene geschützt werden können?
Diese Checklisten und Notfallpläne geben allen Mitarbeitenden Handlungssicherheit: In Krisensituationen wissen sie, was zu tun ist, ohne dass sie in Panik oder Kopflosigkeit verfallen.
2.4 Aufarbeitung und Nachsorge
Selbst mit einem guten Präventions- und Interventionsplan lässt sich Gewalt nie gänzlich ausschließen. Kommt es tatsächlich zu einem Vorfall, ist eine Nachsorge umso wichtiger:
- Erstbetreuung: Wer übernimmt die Versorgung und Unterstützung der Betroffenen (z. B. psychologische Unterstützung)?
- Team-Besprechung: Ein Übergriff bedeutet immer Stress für alle. Die Situation muss aufgearbeitet werden, ohne in Schuldzuweisungen zu verfallen.
- Supervision: Regelmäßige Fall- oder Teamsupervision hilft, die Hintergründe zu verstehen und nachhaltig bessere Strategien im Umgang mit schwierigen Personen oder Konstellationen zu finden.
Wenn die Aufarbeitung ernst genommen wird, erfahren Betroffene Wertschätzung und das Team lernt, wie es künftigen Situationen vorbeugen kann.
3. Der Nutzen für Ihre Einrichtung
Viele Einrichtungsleitungen sorgen sich, ein Gewaltschutzkonzept könne von der Außenwelt als Eingeständnis von Missständen gedeutet werden. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall: Offenheit signalisiert Qualität und Selbstbewusstsein.
3.1 Qualitätsgewinn und Rechtssicherheit
Stellen Sie sich vor, ein Vorfall geschieht: Werden externe Stellen (Heimaufsicht, Polizei) eingeschaltet, zeigen Sie mit einem vorhandenen Gewaltschutzkonzept, dass Sie strukturiert und transparent vorgehen. Dies erhöht nicht nur die Rechtssicherheit, sondern stärkt auch den Ruf Ihrer Einrichtung als professionell und verantwortungsbewusst.
3.2 Höhere Mitarbeiterzufriedenheit
Pflegekräfte klagen häufig über hohe Belastungen, emotionalen Stress und das Gefühl, Konfliktsituationen alleine bewältigen zu müssen. Ein Gewaltschutzkonzept entlastet, weil es:
- klare Regeln für schwierige Situationen bietet,
- kollegiale Beratung oder Supervision institutionalisiert und
- Rückhalt seitens der Leitung zusichert.
Das Gefühl, einander nicht alleine zu lassen, erhöht die Arbeitszufriedenheit und mindert die Fluktuation. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertschätzen das, weil sie so spüren, dass ihre Arbeit geachtet und ihre Sicherheit ernst genommen wird.
3.3 Schutz der Bewohner/innen und Bewahrung ihrer Würde
Am wichtigsten: Die Menschen, die Ihre Einrichtung aufsuchen, vertrauen Ihnen. Sie verlassen sich darauf, professionell und angemessen versorgt zu werden. Sie sind oft sehr verletzlich – zum Beispiel demenziell erkrankte Menschen, die ihre Bedürfnisse nicht klar formulieren können. Ein Gewaltschutzkonzept hilft, genau an diesen Stellen achtsam zu sein. Werden Teilhaberechte, Mitbestimmung, Partizipation und Selbstbestimmung ernst genommen, fühlen sich Bewohnerinnen und Bewohner sicher und respektiert.
4. Schritte zu einem Gewaltschutzkonzept
4.1 Schritt 1: Bestandsaufnahme
Bevor Sie sich an einen Schreibtisch setzen, lohnt es sich, durch Ihre Einrichtung zu gehen und mit Beschäftigten, Bewohner/innen und Angehörigen ins Gespräch zu kommen. Fragen Sie ruhig, wie das Thema Gewalt wahrgenommen wird. Gibt es bereits Standards oder Schulungen? Welche Situationen sind schon einmal „schiefgegangen“?
Ganz wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch die von der BGW geforderte psychische Gefährdungsbeurteilung. Dafür gibt es bereits etablierte und gut erprobte Verfahren, die außerdem rechtlich verpflichtend anzuwenden sind. Eine sorgfältig durchgeführte Erhebung, welche psychischen Belastungen in Ihrer Einrichtung vorliegen und wie hoch sie sind, kann Ihnen wertvolle Hinweise liefern, wo beispielsweise Konflikte schnell eskalieren oder welche organisatorischen Faktoren Stress und Aggression begünstigen. Aus den Ergebnissen dieser psychischen Gefährdungsbeurteilung lassen sich dann gezielt Maßnahmen und Handlungsbedarfe ableiten, die sich gut in Ihr Gewaltschutzkonzept integrieren lassen.
- Tipp: Dokumentieren Sie Beispiele, sammeln Sie sie in einer kleinen Arbeitsgruppe und besprechen Sie mögliche Muster. Ergänzen Sie diese um die Ergebnisse aus der psychischen Gefährdungsbeurteilung, sodass Sie von Anfang an ein fundiertes Bild gewinnen, wo in Ihrer Einrichtung Präventionsbedarf besteht.
4.2 Schritt 2: Konzeptgruppe bilden
Im zweiten Schritt empfehlen wir, eine Steuerungsgruppe oder „Konzeptgruppe“ zu gründen. Sie besteht idealerweise aus:
- Einrichtungs- und Pflegedienstleitung
- Mitarbeitern verschiedener Berufsgruppen (Pflege, sozialer Dienst, Hauswirtschaft)
- Evtl. Angehörigenvertretung bzw. Ehrenamtlichen
- Bei Möglichkeit: Vertreter/in aus dem Bewohnerbeirat
Diese Gruppe sichtet zunächst die vorhandenen Strukturen, Checklisten, Ablaufpläne und Richtlinien. Dann legt sie Ziele, Prioritäten und Vorgehensweisen fest, etwa: „Wir möchten zuerst das Beschwerdemanagement verbessern, dann folgt ein Konzept zum Umgang mit demenziell bedingter Aggression.“
4.3 Schritt 3: Dokument erstellen und Leitbild verankern
Die Gruppe erarbeitet ein Dokument, das die Grundsätze des Gewaltschutzes in Ihrer Einrichtung beschreibt. Dazu gehören:
- Grundhaltung: Klare Aussagen zur Ablehnung von Gewalt, zur Wertschätzung der Würde jedes Menschen und zu den zentralen Prinzipien (z. B. Partizipation, Transparenz, Fehlerfreundlichkeit).
- Prävention: Festgelegte Maßnahmen wie regelmäßige Schulungen, Fallbesprechungen, Deeskalationstrainings, feste Beschwerdewege, Supervision.
- Intervention: Vorgehen und Verteilung der Zuständigkeiten bei Verdachtsfällen, Meldesysteme, Notruf- oder Alarmierungssysteme.
- Nachsorge und Aufarbeitung: Genaue Regelungen, wie ein Vorfall aufgearbeitet wird und welche Hilfsangebote für Betroffene bestehen.
Damit dieser Rahmen nicht nur ein „Wunschkatalog“ bleibt, verankern Sie ihn in Ihrem Leitbild oder in Ihren internen Dienstanweisungen. Neue Kolleginnen und Kollegen sollten bei der Einarbeitung über diese Grundsätze informiert werden – so wird das Konzept schnell zur gelebten Praxis.
4.4 Schritt 4: Schulungen und Übungsszenarien
Ein Gewaltschutzkonzept kann nur so gut sein wie die Umsetzung in der Realität. Es empfiehlt sich, das Team regelmäßig zu schulen, z. B. in:
- Deeskalation: Techniken der Gesprächsführung, um Konflikte frühzeitig zu entschärfen.
- Erkennen von Vernachlässigung oder Misshandlungen: Woran erkennt man Hämatome oder Druckstellen, die verdächtig wirken? Welche Verhaltensänderungen deuten auf seelische Gewalt hin?
- Gesprächsführung und Selbstschutz: Wie verhalte ich mich, wenn mich ein Bewohner anfeindet? Wen informiere ich? Wie bleibe ich selbst ruhig?
Über Szenarientrainings können Teams alltägliche Situationen durchspielen: etwa wie man bei verbaler Aggression reagiert oder wie man bei einem lautstarken Streit zwischen Bewohner und Angehörigem eingreift. Diese Übungen schaffen Handlungssicherheit, weil sie den Transfer vom Konzept in die Praxis ermöglichen.
4.5 Schritt 5: Evaluation und Weiterentwicklung
Eine Schublade ist nicht der richtige Ort für Ihr Gewaltschutzkonzept. Stattdessen gehört es ins Teamgespräch und in jede Teamsitzung. Fragen Sie einmal jährlich: Was funktioniert gut? Wo hakt es noch? Haben sich Arbeitsbedingungen, z. B. durch neue Bewohnergruppen oder bauliche Änderungen, verändert? Bei Bedarf passen Sie das Konzept an neue Gegebenheiten an.
5. Stolpersteine und wie Sie sie umgehen
- Zeit und Ressourcen: Einwände lauten oft: „Dafür fehlt uns die Zeit.“ Ja, es kostet Zeit, ein Konzept zu erstellen. Aber denken Sie daran: Jeder ungeklärte Vorfall bindet ebenfalls massiv Zeit und Energie. Vorbeugung lohnt sich langfristig.
- Angst vor Rufschädigung: Einige fürchten, das Thema Gewalt könnte ein negatives Licht auf die Einrichtung werfen. Doch ein transparenter, präventiver Umgang wirkt viel positiver, als wenn erst durch externe Stellen Probleme öffentlich werden.
- Widerstände im Team: Manche Beschäftigte empfinden das Thema als Angriff auf ihre Arbeitsweise. Eine offene und wertschätzende Kommunikation hilft, Befürchtungen aufzufangen. Es geht um gemeinsame Entlastung und Sicherheit – nicht um Misstrauen.
- Fehlende externe Unterstützung: Falls Unsicherheit herrscht, wie ein Gewaltschutzkonzept im Detail aussehen kann, oder wenn wenig interne Ressourcen zur Verfügung stehen, lohnt sich die Zusammenarbeit mit Fachstellen, z. B. Beratungsdiensten, Berufsgenossenschaften oder Trägerverbänden.
6. Fazit: Gemeinsam Richtung Zukunft
Ein Gewaltschutzkonzept führt zu mehr Sicherheit für alle, erhöht die Qualität Ihrer Einrichtung und stärkt das Vertrauen von Bewohner/innen, Angehörigen und Mitarbeitenden. Statt in Schubladen zu liegen, sollte es zum Motor für eine Kultur der Achtsamkeit werden.
- Konkreter Plan: Legen Sie mit einer Steuerungsgruppe fest, welchen Zeitrahmen Sie anpeilen: z. B. drei Monate, um einen ersten Konzeptentwurf zu erstellen; sechs Monate, um Schulungen durchzuführen und Beschwerdewege zu optimieren; ein Jahr, um die ersten Erfahrungen auszuwerten.
- Motivation: Geben Sie immer wieder Einblicke in positive Beispiele. Berichten Sie im Team, wie bereits kleine Veränderungen große Wirkung zeigen. Etwa wenn eine Mitarbeiterin erzählt, wie ein standardisierter Handlungsleitfaden ihr in einer überfordernden Situation geholfen hat.
- Beteiligung: Beziehen Sie Bewohner/innen und Angehörige in Form von Meetings, Fragebögen, Sprechstunden oder einem Runden Tisch ein. Das schafft Vertrauen und stellt sicher, dass Sie den tatsächlichen Bedürfnissen gerecht werden.
- Erfolgskontrolle: Nichts ist so motivierend wie spürbarer Erfolg. Dokumentieren Sie die Prozessschritte und überprüfen Sie nach einiger Zeit, ob bestimmte Vorfälle abgenommen haben oder ob sich Mitarbeitende sicherer fühlen.
7. Ein letzter Impuls
Wenn Sie als Einrichtungsvertreterin oder -vertreter mit Ihrem Team ein Gewaltschutzkonzept entwickeln, tragen Sie dazu bei, den Menschen in Ihrer Einrichtung ein Stück mehr Würde und Lebensqualität zu bewahren.
Zugleich erleichtern Sie Ihren Mitarbeitenden das berufliche Handeln in schwierigen Situationen und schaffen Klarheit bei Konflikten.
Was zunächst nach zusätzlichem Aufwand klingt, entpuppt sich rasch als wirksamer Hebel für eine bessere Pflegekultur, geringere Belastung und höhere Zufriedenheit. Nehmen Sie also den Mut zusammen, starten Sie den Prozess, bilden Sie ein Team für die Konzeptentwicklung – und erleben Sie, wie das Thema „Gewaltschutz“ vom Angstbegriff zum Qualitätsmerkmal Ihrer Einrichtung werden kann!
Ihre Einrichtung wird dadurch nicht nur dem gesetzlichen Anspruch gerecht, sondern sie agiert auch vorbildlich im Sinne aller Beteiligten. Es ist ein Prozess, kein Punkt, den man einmal abhakt und vergisst. Doch jeder Schritt, den Sie in Richtung Gewaltschutz gehen, ist ein Schritt zu einem sichereren, würdevolleren und letztlich besseren Pflegealltag für alle.
Gehen Sie es an. Schaffen Sie ein Umfeld, in dem sich niemand ausgeschlossen oder allein gelassen fühlt. Schaffen Sie eine Organisation, in der kritische Situationen nicht zum Tabu erklärt, sondern gemeinsam gelöst werden. Setzen Sie auf Kommunikation, Transparenz und Achtsamkeit – für ein Mehr an Sicherheit, Zufriedenheit und Menschlichkeit in Ihrer Pflegeeinrichtung.
„Welche Kräfte könnten freiwerden, wenn wir Konflikte als Chance zur Qualitätsentwicklung betrachten und nicht als bedrohliches Tabuthema?“
Tobias Münzenhofer
Quellen:
- Institut für Sozial- und Organisationspädagogik Universität Hildesheim
- Schutzkonzepte in der stationären Altenpflege - Eine Arbeitsbroschüre 2020 (Carolin Oppermann, Marie Rosa Roth, Julia Schröder & Stefanie Visel)
- Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
- PEKo: Gewaltprävention in der Pflege
- Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP)
- Münchner Leitfaden-Gewaltschutzkonzept
- Forschungsförderprojekt QualiPEP - AOK-Bundesverband
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