Delirmanagement im Alter

von Tobias Münzenhofer

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Vorbeugen, Erkennen und Begleiten im Pflegealltag

Delirmanagement im Alter

Das Delir ist ein akuter Verwirrtheitszustand, der besonders ältere und pflegebedürftige Menschen betrifft. Diese organische Störung des Gehirns kann plötzlich auftreten, einen schwankenden Verlauf haben und multiple kognitive sowie psychische Funktionen beeinträchtigen, wie etwa das Bewusstsein, die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und die Wahrnehmung. Die Symptome sind vielfältig und oft unspezifisch, was das Erkennen eines Delirs erschwert. Aufgrund der gesundheitlichen Risiken, die mit einem Delir einhergehen, wie längere Krankenhausaufenthalte, ein erhöhter Pflegebedarf oder eine verkürzte Lebensdauer, ist die Prävention und das Management eines Delirs in der Altenpflege von großer Bedeutung.

Symptome und Verlaufsformen eines Delirs
Die Symptomatik eines Delirs ist vielseitig und reicht von Orientierungslosigkeit und Verwirrtheit bis hin zu schweren kognitiven Beeinträchtigungen. Typische Anzeichen sind ein plötzlich auftretender Konzentrationsmangel, Gedächtnisstörungen, Benommenheit und Halluzinationen. Auch Desorientierung hinsichtlich Zeit, Ort oder Situation sowie psychomotorische Unruhe, Schlafstörungen und emotionale Schwankungen wie Angst, Aggression oder Reizbarkeit können Hinweise auf ein Delir sein. Es gibt unterschiedliche Formen des Delirs: das hyperaktive Delir, das sich durch motorische Unruhe und starke Erregung zeigt, das hypoaktive Delir, bei dem die Betroffenen eher apathisch und teilnahmslos wirken, sowie Mischformen. Die Symptome können sich im Tagesverlauf ändern und sind abends häufig verstärkt, was die Diagnose weiter erschwert.

Prävalenz und Bedeutung des Delirs im Alter
Delirien treten häufig bei älteren Menschen auf, insbesondere bei Menschen ab 65 Jahren. Studien zeigen, dass 11 bis 25 Prozent der älteren Menschen bei der Aufnahme ins Krankenhaus und bis zu 40 Prozent der Pflegeheimbewohner ein Delir entwickeln können. Die hohe Prävalenz macht deutlich, dass professionell Pflegende in der Lage sein müssen, ein Delir frühzeitig zu erkennen und adäquat zu behandeln. Ein Delir, das nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird, kann zu schwerwiegenden Langzeitfolgen führen. Es kann auch sein, dass geistige Beeinträchtigungen bleiben. Das gilt besonders, wenn ein Delir lange anhält und schwer verläuft. Aufgrund eines Delirs kann der Pflegebedarf steigen. Zudem ist ein Delir psychisch sehr belastend. Viele erinnern sich nach einem Delir an Angst, Hilflosigkeit und Halluzinationen. Auch für Angehörige kann es sehr schwierig sein, damit umzugehen.

Risikofaktoren und Auslöser eines Delirs
Es gibt verschiedene Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit eines Delirs erhöhen. Zu den wichtigsten zählen kognitive Beeinträchtigungen wie Demenz, psychische Erkrankungen, Schlafstörungen, Mehrfacherkrankungen, Einsamkeit und soziale Isolation sowie der Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung. Auch bestimmte Medikamente, wie zentral wirksame Sedativa oder Analgetika, sowie Alkohol- oder Substanzmissbrauch, können Delirien auslösen. Zudem spielen auch externe Faktoren eine Rolle, beispielsweise ein plötzlicher Ortswechsel (Durchgangssyndrom), eine Operation oder eine Infektion. Es sind oft mehrere Faktoren, die zusammenwirken und das Risiko eines Delirs steigern.

Risikofaktoren für das Delir lassen sich in Patienteneigenschaften (prädisponierende Faktoren) und auslösende Faktoren (präzipitierende Faktoren) unterteilen, die im Zusammenhang mit einer Erkrankung stehen. Grafik: © beeboys / Fotolia

Prävention eines Delirs
Die Prävention eines Delirs erfordert ein multimodales Vorgehen, das an den individuellen Risikofaktoren und Auslösern ansetzt. Professionelle Pflegende sollten über die notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen verfügen, um potenzielle Delir-Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört eine gute Beobachtungsgabe, um plötzliche Veränderungen im Verhalten, in der Wahrnehmung oder im kognitiven Zustand der Patienten zu bemerken. Angehörige können eine wichtige Rolle spielen, indem sie Vertrautheit und Orientierung vermitteln, was insbesondere bei Ortswechseln oder Krankenhausaufenthalten von Bedeutung ist. Ein kontinuierlicher Austausch zwischen allen an der Pflege beteiligten Berufsgruppen ist essenziell, um eine möglichst optimale Versorgung zu gewährleisten.

Folgende Tipps wurden im Forschungsprojekt (TRAnsport und DElir bei älteren Menschen) als 8-Punkte-Programm zur Unterstützung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen bei der Vorbeugung und Linderung eines Delirs entwickelt.

  1. Ortswechsel begleiten
    Begleiten Sie Ihre Angehörige oder Ihren Angehörigen bei einem Ortswechsel, wenn möglich von Anfang bis Ende. Fahren Sie bei einem Transport mit. Bleiben Sie nach der Ankunft noch einige Zeit vor Ort. Achten Sie darauf, dass nichts vergessen wird, etwa Arztbrief, Pflegebericht, Brille, Hörgerät.
  2. Vertrautheit schaffen
    Seien Sie möglichst oft da, besonders nachmittags und abends. Zu diesen Zeiten können verstärkt Delir-Symptome auftreten. Bleiben Sie, wenn nötig, über Nacht. Bringen Sie vertraute Gegenstände mit, etwa Fotos oder die gewohnte Decke.
  3. Informationen weitergeben
    Informieren Sie die Ärztin, den Arzt und Pflegefachpersonen über Erkrankungen wie Demenz, Medikamente, Unverträglichkeiten, Allergien, Gewohnheiten, den Alkoholkonsum und bisherigen Unterstützungsbedarf. Teilen Sie Veränderungen, die Sie beobachten, zeitnah mit. Das gilt insbesondere für Delir-Symptome.
  4. Orientierung fördern
    Erinnern Sie wiederholt an Ort, Wochentag und Tageszeit. Platzieren Sie einen Kalender und einen Wecker gut sichtbar. Achten Sie darauf, dass Hörgerät und Brille getragen werden.
  5. Kommunikation anpassen
    Sprechen Sie langsam und deutlich in kurzen Sätzen. Verwenden Sie einfache Worte. Bleiben Sie möglichst ruhig und geduldig. Diskutieren und belehren Sie nicht. Nehmen Sie Beleidigungen nicht persönlich. Vermitteln Sie Zuversicht und Verständnis auch über Körperkontakt. Vermeiden Sie aber plötzliche Berührungen, besonders im Gesicht.
  6. Alltag gestalten
    Unterstützen Sie dabei, den Tag zu gestalten: Spielen Sie etwas. Lösen Sie gemeinsam ein Kreuzworträtsel. Unterhalten Sie sich über positive Themen. Oder lesen Sie gemeinsam die Tageszeitung. Achten Sie darauf, nicht zu überfordern. Helfen Sie am Abend zur Ruhe zu kommen, etwa mit Ritualen, die den Schlaf fördern.
  7. Bewegung fördern
    Unterstützen Sie dabei, sich zu bewegen. Gehen Sie gemeinsam spazieren, zum Beispiel auf dem Flur oder im Park. Oder motivieren Sie zu Gymnastik im Bett. Holen Sie dazu aber vorher pflegefachlichen oder ärztlichen Rat ein.
  8. Essen und Trinken anregen
    Leisten Sie bei den Mahlzeiten Gesellschaft. Bringen Sie das Lieblingsessen mit. Holen Sie dazu aber vorher pflegefachlichen oder ärztlichen Rat ein. Erinnern Sie daran, zu trinken. Achten Sie darauf, dass die Zahnprothese getragen wird. Das erleichtert auch das Sprechen.

Diagnose eines Delirs
Bei schwer dementen Patienten werden Verhaltensauffälligkeiten häufig als Symptome der Demenz und nicht eines Delirs gedeutet. (Fick DM, Steis MR, Waller JL et al. Delirium superimposed on dementia is associated with prolonged length of stay and poor outcomes in hospitalized older adults. J Hosp Med 2013; 8: 500–505)

In bis zu 80 % der Fälle wird ein Delir durch den einweisenden Arzt übersehen (Han JH, Zimmerman EE, Cutler N et al. Delirium in older emergency department patients: recognition, risk factors, and psychomotor subtypes. Acad Emerg Med 2009; 16: 193–200)

Ein Delir kann mithilfe verschiedener standardisierter Diagnoseinstrumente erfasst werden, wie etwa der Confusion Assessment Method (CAM) oder der Delirium Observation Screening Scale (DOS). Eine genaue Diagnose ist wichtig, um das Delir von anderen Störungen wie Demenz oder Depression abzugrenzen, da sich die Symptomatiken in einigen Punkten überschneiden können. Zu den wesentlichen Schritten der Diagnosestellung gehören die Beobachtung plötzlicher Veränderungen, die Erfassung von Risikofaktoren und die Einbeziehung von Angehörigen zur Einschätzung der geistigen Fähigkeiten des Patienten. Auch der Austausch innerhalb des Pflegeteams ist von Bedeutung, um sicherzustellen, dass Veränderungen zeitnah erkannt und dokumentiert werden.

Abgrenzung eines Delirs

Abgrenzung Delir-Demenz-Depression

Management eines Delirs
Die Behandlung eines Delirs erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Zunächst müssen die zugrunde liegenden Ursachen und Auslöser, wie etwa Infektionen, Schmerzen oder Flüssigkeitsmangel, identifiziert und behandelt werden. Gleichzeitig sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Symptome zu lindern und die geistige sowie körperliche Aktivierung zu fördern, ohne die Betroffenen zu überfordern. Dazu gehört eine angepasste Kommunikation, das Schaffen einer ruhigen Umgebung und die Förderung von Orientierung durch Hilfsmittel wie Kalender, Uhren oder das Tragen von Brille und Hörgerät. Auch die Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr und die Überwachung des Tag-Nacht-Rhythmus sind wichtige Maßnahmen, um das Delir zu lindern und gesundheitlichen Komplikationen vorzubeugen.

Nachsorge und Reflexion
Nach der Überwindung eines Delirs ist es wichtig, den gesamten Behandlungsprozess zu reflektieren und mögliche Verbesserungen für die zukünftige Versorgung abzuleiten. Dazu gehört die Analyse der Auslöser und des Versorgungsprozesses sowie die Etablierung von Berichts- und Lernsystemen innerhalb der Einrichtung. Langfristig sollte ein Konzept zur Delir-Prävention und -Behandlung entwickelt werden, das regelmäßig überprüft und angepasst wird, um die Versorgung von Menschen mit Delirien kontinuierlich zu verbessern.

Fazit
An die Möglichkeit eines Delirs bei Demenz sollte beim Kontakt mit älteren Patienten immer gedacht werden. Das Delir stellt eine erhebliche gesundheitliche Herausforderung für ältere und pflegebedürftige Menschen dar.

Wichtig sind Anamnese, Fremdanamnese, Medikamenten- und Rauschmittelanamnese, körperliche und psychiatrische Befunderhebung sowie eine Basisdiagnostik.

Nicht medikamentöse Behandlungsmaßnahmen sollten im Vordergrund stehen, medikamentöse Therapien kommen bei nicht anders beherrschbare Verhaltensauffälligkeiten zum Einsatz.

Der Einsatz von Antipsychotika sollte sich auf die Behandlung gravierender Symptome beschränken. Nach dem Abklingen der Symptome sollte das zeitnahe Absetzen innerhalb weniger Tage bis Wochen nicht übersehen werden.

Es erfordert ein umfassendes Wissen der Pflegenden sowie eine gute Zusammenarbeit aller an der Versorgung Beteiligten, um die Betroffenen bestmöglich zu unterstützen.

Pflegepersonen erkennen ein Delir eher als ärztliches Personal (Ryan DJ, O’Regan NA, Caoimh RO et al. Delirium in an adult acute hospital population: predictors, prevalence and detection. BMJ Open 2013, Jan 7; 3 (1); DOI: 10.1136/bmjopen-2012-001772)

Durch präventive Maßnahmen, gezielte Beobachtungen und ein professionelles Management kann das Risiko eines Delirs reduziert und bestehende Symptome gelindert werden. Die Einbeziehung von Angehörigen und die Anpassung der pflegerischen Versorgung an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen spielen dabei eine zentrale Rolle.

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