Altersdepression und Suizidalität im Pflegealltag begleiten

von Tobias Münzenhofer

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Durch frühzeitige Erkennung und gezielte Unterstützung kann vielen älteren Menschen geholfen werden, ein erfüllteres und zufriedeneres Leben zu führen.

Altersdepression und Suizidalität im Pflegealltag begleiten

Altersdepression ist die die zweithäufigste und oft unterschätzte psychische Erkrankung bei älteren Menschen, die erhebliche Auswirkungen auf deren Lebensqualität hat. Sie tritt häufig im Zusammenhang mit körperlichen Beschwerden und sozialen Verlusten auf, was ihre Diagnose und Behandlung erschwert. Was sind erste Anzeichen der Krankheit bei Senioren und was können Pflegekräfte, Betreuungskräfte tun?

Eine Depression ist keine Alterserscheinung, sondern eine Erkrankung, die jeden treffen kann. Aber sie ist gut behandelbar – auch im Alter. Ein Grund für Behandlungsdefizite liegt in der erschwerten Erkennung der Altersdepression.

Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen erkranken häufig unbemerkt an Depressionen. Das zeigen Studienergebnisse im Rahmen des Projekts "DAVOS – Depression im Altenpflegeheim: Verbesserung der Behandlung durch ein gestuftes kollaboratives Versorgungsmodell".

Demnach würden depressive Erkrankungen oft nicht behandelt, obwohl diese auch im höheren Lebensalter gut therapierbar seien.

Die Studienlage weise darauf hin, dass 30 % der Bewohnerinnen und Bewohner an einer akuten Depression litten, doch nur rd. 43 % von ihnen eine ärztliche Diagnose und eine Therapie erhielten.

"Es ist davon auszugehen, dass etwa die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner mit Depression keine adäquate Therapie erfährt."

Der Heimeinzug sei geprägt von Verlusten – und die seien ein Risikofaktor für Depressionen. Der Umzug sei oftmals nicht freiwillig erfolgt. Viele seien zudem wenig mobil, litten unter

Schmerzen und körperlichen Erkrankungen. Dazu summieren sich zumeist weitere Risikofaktoren wie Vereinsamung und der Tod naher Angehöriger.

Dies unterstreicht die Dringlichkeit, mehr Aufmerksamkeit auf diese Problematik zu lenken und geeignete Diagnose- und Therapiemethoden zu entwickeln.

Prävalenz und Häufigkeit

Depressionen treten in der Allgemeinbevölkerung mit einer Rate von 2-7% auf. Bei Personen über 65 Jahren, die in Privathaushalten leben, liegt die Häufigkeit bei 5-10%. Diese Zahlen steigen erheblich bei älteren Menschen mit Komorbiditäten und daraus resultierenden Behinderungen auf 15-25%. Besonders besorgniserregend ist die Situation in Pflegeheimen, wo 25-45% der Bewohner von Depressionen betroffen sind.

Eine Lebenszeitprävalenz zeigt, dass 26% der Frauen und 12% der Männer im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken.

Symptome und Auswirkungen

Depressionen im Alter sind oft durch das Fehlen positiver Gefühle wie Freude, Lust, Energie, Interesse, Zufriedenheit und Entspannung gekennzeichnet. Stattdessen dominieren negative Emotionen wie Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Angst, Verbitterung, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und ein vermindertes Selbstwertgefühl. Diese emotionalen Symptome werden häufig von körperlichen Beschwerden wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gewichtabnahme, Rücken -und Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Schwindel begleitet.

Die kognitiven Beeinträchtigungen sind ebenso bedeutend. Depressive ältere Menschen kämpfen mit vermindertem Konzentrationsvermögen, Gedächtnisproblemen, reduziertem Urteilsvermögen und Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung. Diese Symptome führen oft zu sozialem Rückzug und Isolation, was wiederum die Lebensqualität erheblich mindert und das Risiko für Hospitalisierungen, Mortalität und Suizidalität erhöht.

Depression und Suizid

Die Suizidraten unter älteren Menschen sind alarmierend hoch. Im Jahr 2022 starben in Deutschland 10.119 Menschen durch Suizid, das sind fast 28 Personen pro Tag. Männer sind dabei deutlich häufiger betroffen als Frauen; etwa 75% der Suizide wurden von Männern begangen. Das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt des Suizids lag bei Männern bei 60 Jahren und bei Frauen bei 62 Jahren. Diese Zahlen verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, Depressionen im Alter ernst zu nehmen und frühzeitig zu intervenieren.

Die Gefahr einer Selbsttötung im Rahmen einer Altersdepression wird auf über 20% geschätzt und ist damit deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit können in suizidale Krisen münden, die durch gezielte Unterstützung und fachgerechte Hilfe jedoch oft überwunden werden können.

Differenzialdiagnose: Depression versus Demenz